Wenn Stress krank macht
Zwei Duzend Führungskräfte sitzen in einem schwäbischen Schlosshotel auf roten Meditationskissen und üben sich in Achtsamkeit, der >> vorurteilslosen Beobachtung des eigenen Geistes >>. Draußen zwitschern die Vögel, die Sonne scheint und spiegelt sich in den Blättern der großen alten Bäume jenseits des Parks. Die Rede ist von Google. Ausgerechnet diese Firma machte, wie bei vielen Innovationen, den Anfang. Das firmeninterne Meditationsprogramm wurde 2007 gestartet und heißt „Search Inside yourself“(>> Suche in dir selbst >>).
>> Achtsamkeit >> ist zum Modethema geworden, in der Wirtschaft ebenso wie in der Wissenschaft. Selbst honorige Max-Planck-Direktoren treten mittlerweile in >> Stressmanagement – Workshops >> auf. Rationalisten, denen jede esoterische Schwärmerei fremd ist, lassen sich auf die Erforschung des eigenen Geistes ein, Jacketts werden abgelegt, hochhackige Schuhe ausgezogen, Gürtel gelockert und schon geht´s zur Meditation.
>> Achtsamkeit heißt einfach: Beobachten, was jetzt gerade passiert, ohne es zu bewerten >>. Stressmanagement passt zum Zeitgeist – auch in Unternehmen. Aufgeschreckt durch die massive Zunahme von Burnout – Diagnosen und psychische Erkrankungen, setzen immer mehr Firmen auf Stressbewältigung. Übrigens, 41% aller Frühverrentungen haben psychische Erkrankungen als Ursache und die Arbeitsunfähigkeitstage auf Grund psychischer Erkrankungen haben in den letzten fünfzehn Jahren um 80% zugenommen.
>> Wenn wir achtsam sind, können wir unsere Aufmerksamkeit besser lenken: Wir schweifen nicht dauernd ab und kreisen im Kopf weniger um die immer gleichen Themen >> sagt Trainerin Regina Koch >>.
(Quelle: Zeit-Wissen)
Stress und seine Folgen
Dauerhafter Stress ist ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko mit vielfältigen Auswirkungen. So können als Folge neben Schlafstörungen (chronische Müdigkeit), Nervosität, Erschöpfung und depressive Verstimmungen, auch Burnout und psychosomatische Erkrankungen auftreten.
Es kommt dabei immer auf den Stresstyp an: >>
Stresstyp A: Leicht erregbar, aufbrausend und neigt bei Dauerstress zu Bluthochdruck bis hin zum Herzinfarkt.
Stresstyp B: Reagiert eher ruhig, frisst den Ärger in sich hinein und ist bei Dauerstress anfällig für Magen-Darm-Erkrankungen und Depressionen >>.
Warum lassen wir uns immer mehr stressen?
Hohe berufliche Anforderungen mit Zeitdruck oder Doppelbelastung in Familie und Beruf sind beispielhafte Situationen, die Stress erzeugen können. Am Arbeitsplatz werden wir von unseren Arbeitsfluss oft unterbrochen – z.B. von E-Mails, Anrufen, hereinstürzende Kollegen. Ganz zu schweigen von Mobbing am Arbeitsplatz.
Fallstudie:
Zusammenbruch durch Arbeit
Petra Klein (Pseudonym), 31 Jahre, Single, attraktive Frau, wurde bei mir in der Praxis das erste Mal vorstellig nach dem ihr Hausarzt die Diagnose Überforderung (Burnout) gestellt hatte. Sie ist durch ihren Stress regelrecht zusammen gebrochen.
Petra K. arbeitet in der Energiebranche als Wirtschaftsingenieurin. Als vor drei Jahren ihr Arbeitgeber ihr eine gut dotierte Stelle in einem großen Konzern für Energietechnik in München anbot, ergriff sie kurzer Hand die Chance für einen Neustart. Von Stuttgart in die Großstadt München zu ziehen war für sie eine traumhafte Vorstellung und sie startete voller Euphorie in ihren neuen Job. Doch schon sehr bald musste sie leider feststellen, >> der Job ist stressig >>. Petra K. meinte: “Ich musste komplett ein neues Aufgabengebiet übernehmen und das machte mir enormen Stress!“ >> Am Anfang wollte ich mich natürlich etablieren, machte Überstunden und telefonische Kundentermine, die mussten ja schließlich zeitlich eingehalten werden. Dazu kam, dass meine Vorgängerin mir sehr viel unerledigte Arbeit hinterließ und diese musste schließlich aufgearbeitet werden. Der Job wurde zur Qual, die 14-Stunden-Arbeitstage zogen sich endlos dahin. Kommunikation mit Team-Kollegen und Kunden kostete Petra K. sehr viel Kraft.
Doch am schlimmsten war die Müdigkeit, schon morgens nach dem Aufstehen war diese bleierne Schwere in den Gliedern, die sich weder durch eiskaltes Duschen noch durch mehrere Tassen Kaffee vertreiben ließen. Sie funktionierte nur noch wie eine Maschine die sich von außen sieht. Petra K. hatte das Gefühl, sie sei nicht gut genug in ihrem Job, wollte sich unbedingt beweisen, einen guten Eindruck machen und niemanden im Betrieb offerieren, dass diese Arbeit über ihre Kräfte geht.
Dann spricht sie von der Zeit, als in ihrem Leben von Ruhe und Gelassenheit keine Rede sein konnte. Denn außer der Belastung am Arbeitsplatz hatte sie noch mit weiteren Stressfaktoren zu kämpfen: “Ihr frisch bezogenes Münchner Zuhause wies derart gravierende Mängel auf, dass sie eine neue Bleibe suchen musste. Also gesellte sich zusätzlich zum Arbeitsstress erneuter Umzugsstress und das war dann eindeutig zu viel für Petra. Die Folge dessen, sie konnte nachts nicht mehr schlafen, bekam massive Kreislaufbeschwerden, Angst und Panik machten sich breit, sie ging zum Arzt und er bestätigte Petra K. ihren Zusammenbruch. Sie musste darauf für mehrere Wochen in eine Reha-Klinik und dort begann Petra K. ihre Situation neu zu bewerten. Sie lernte, dass ihr persönlicher Ehrgeiz, jede Arbeit selbstständig gut zu erledigen zwar anerkennenswert ist, aber es genauso wichtig ist auf den Körper zu hören, wann es genug ist mit der Arbeit. Nicht zu stolz sein, die unerledigte, liegengebliebene Arbeit abzugeben oder erst am nächsten Tag erledigen.
Im Gespräch mit mir, meinte Petra K.: „Ich hätte mit der neuen Chefin viel mehr kommunizieren sollen, ihr meine Situation schildern und Vertrauen haben müssen. Ich hätte ihr erzählen sollen, was in der Zeit alles auf mich niederprasselte, die Chefin hätte bestimmt eine Lösung gefunden. Und ich habe gedacht, ich müsste alles alleine schaffen und das war mein größter Fehler.“
Petra K. ist schon seit geraumer Zeit bei mir in Therapie, es hat sich eine gute Compliance eingestellt. Das Ziel der Therapie ist, dass Frau Klein lernt sich besser abzugrenzen, eher Nein zu sagen zu können, in sich genauer hinein zu hören, auf körperliche Signale achten – wann es genug ist, sich eine Reizüberflutung ankündigt. Die kognitive Verhaltenstherapie binde ich mit ein, wir arbeiten mit Gedankentagebüchern. Hinzu kommt, dass wir sehr viel mit Achtsamkeit arbeiten, inne gehen, beobachten was gerade geschieht, ohne zu bewerten. Achtsamkeit zu praktizieren, führt zu einem ruhigen Geist und zu einer klaren Wahrnehmung der eigenen Gedanken, Emotionen und Körpergefühlen. Meditation & Entspannungsübungen ergänzt die Therapie.
Petra K. meinte, wenn sie noch einmal einem ähnlichen Stress ausgesetzt wäre, könnte sie heute eher > >Nein sagen >> und ihre Grenzen besser einschätzen. Sie hat dies während ihrer Therapie erlernt. „Den Stressmanagement-Workshop werde ich nach meiner Therapie beanspruchen“, versprach sie.
Literaturempfehlungen:
- Claudia Fiedler, Hans Plank – Stressmanagement: So beugen Sie dem Burnout vor!
- Jennifer Leonhardt -Stressmanagement – Mit weniger Druck mehr erreichen. SOS-Techniken nutzen und Resilienz stärken
Weitere Empfehlungen der Verfasserin:
- 7 Mind, App für Android und IOS